Obst und Gartenbauverein Oberkirchen e.V.

gemeinnützig tätiger Verein gegründet 1902

 

 

Kleiner Obstbaumschnittkurs

 

Der Pflanzschnitt

Fehler, die bei dieser ersten Schnittmaßnahme unterlaufen, zei­gen sich erst später. Neben dem Mitteltrieb beläßt man 3, nur in Ausnahmefällen bei günstiger Aststellung 4 seitliche Leitäste. Natürlich ist es möglich, einen zusätzlichen Reserveast in den ersten Jahren mitwachsen zu lassen, den man aber später wieder herausnimmt, wenn die anderen sich wunschgemäß entwickeln.

Abbildung oben: Pflanzschnitt

(a)    Beim Pflanzschnitt werden nach Auswahl von drei günstig stehenden Leittrieben alle übrigen Triebe auf Astring ent­fernt.

(b)    Beim Rückschnitt der Leittriebe muß darauf geachtet wer­den, daß die Endknospen nach außen stehen. Man wird etwa die halbe Trieblänge abschneiden. Um später eine flachere Krone zu erhalten, sollte der Mitteltrieb höchstens um eine Sche­renlänge über die Seitentriebe hinausragen.

(c)    Falscher Pflanzschnitt. Zu viele Leitäste und zu langer Mittel­trieb.

 

Abbildung links:

Streuung der Leitäste

(a)    Leitäste, an einer Stelle an­gesetzt, wirken sich ungünstig aus.

(b)    Richtig verteilte Leitäste an einem Jungbaum.

 

 

 

 

 

 

 

 

Abbildung links: Der ideale Leit­astwinkel beträgt ca. 45 Grad; steilere Äste werden abgespreizt; fla­chere aufgebunden.

 

Der dem Mitteltrieb am nächsten steil auswachsende Konkurrenztrieb ist in jedem Fall herauszunehmen, damit sich später kein „Schlitzast" bilden kann. Ideal ist es auch, wenn die seitlichen Leitäste nicht quirlar­tig auf gleicher Höhe vom Stamm wegführen, sondern versetzt ste­hen. Der einzelne Ast hat dann auch seitlich mehr Platz. Die Anschnitt­länge der Seitenäste richtet sich immer nach dem schwächsten Trieb. Die Triebenden sollten dann am Schluß in gleicher Höhe liegen, um einen gleichmäßigen Aus­trieb zu gewährleisten. Das letzte Auge jedes Triebes muß nach dem Rückschnitt immer nach außen zeigen. Ein Blenden des da­hinterliegenden Auges (auszwicken) verhindert einen Durchtrieb in das Kroneninnere und stärkt die nach außen weisende Knospe. Diesen erstmaligen Kronenanschnitt führt man grundsätzlich erst im zeitigen Frühjahr durch, auch dann, wenn der Baum schon im Herbst gepflanzt wurde.

 

Der Erziehungsschnitt

Gerade weil man davon ausgeht, dass die Schnittmaßnahmen bei Hochstämmen nicht so aufwendig sind wie bei Niederstämmen und auch nicht bis ins Alter mit der gleichen Intensität durchgeführt werden müssen, ist der Erziehungsschnitt bis zum 7. Jahr wichtig.

 

Abbildung Abspreizen und Heften von Trieben beim Pflanz­schnitt

(a)    Aus der Baumschule gelieferter Obstbaum. M=Mitteltrieb, L=Leittriebe, K=Konkurrenztrieb. Der Konkurrenztrieb muss stets entfernt werden.

(b)    Es verbleiben drei Leittriebe zum Kronenaufbau. Der rechte Trieb steht zuflach. Er wird hochgebunden, damit er nicht im Wachstum zurückbleibt. Der linke Leittrieb steht zu steil. Er wird deshalb abgespreizt.

(c)    So sieht der Baum nach dem Formieren der Leitäste aus.

 

Abbildung unten: Formieren der Baumkrone

(a)    Krone mit zu steil angesetzten Leitästen. Zu wenig Licht im Innern der Krone.

(b)    Nach dem Abspreizen der Leitäste ist die Belichtungsfläche wesentlich vergrößert. Die flacher stehenden Fruchtäste tra­gen besser.

 

 

Abbildung unten: Schnitt des Jungbaumes im 1. und 2. Jahr

(a)    Zuerst werden die Konkurrenztriebe auf Astring entfernt. Ebenso andere starke, nach innen wachsende Triebe. 

(b)    Beim Rückschnitt der Leitastverlängerungen um etwa ein Drittel zuerst wieder darauf achten, daß die Knospen an der Schnittstelle nach außen stehen. Sodann müssen alle Schnitt­stellen auf einer Höhe sein. Die übrigen Triebe wer­den nicht zurückgeschnitten. Über die Schnittsteilen ragende Seiten­triebe nur herunterbinden.

 

Gesetze der Schnittwirkung

Durch einen scharfen Rückschnitt verbleiben nur wenige Knospen, die einen starken Neutrieb ergeben. Ein schwacher Rückschnitt veranlasst nur einen schwachtrie­bigen Neuwuchs.

 

Abbildunglinks:

(a)    Starker Schnitt

(b)    Schwacher Schnitt

(c)    Ungleicher Schnitt

 

 

 

 

Abbildung links:

Saftwaage beim Pflanzschnitt. Die obersten Knospen müssen nach außen und in einer Höhe stehen.

 

 

 

 

Abbildung links:

Holzzuwachs oder Fruchtknospenbil­dung. Je steiler ein Trieb nach oben steht, um so mehr wird er in seinem Wachstum begüns­tigt. Die verstärkt in die Waagrechte ge­neigten Triebe setzen Blütenknospen an.

 

 

 

 

 

 

 

Abbildung links:

Häufigster Fehler beim Waagrechtbin­den.

(a)    Der Trieb hängt zu stark nach unten.

(b)    Starke Reiterbil­dung, dadurch kaum Ansatz von Blüten­knos­pen.

 

 

 

 

Wachstumsgesetze

Bei jeder Schnittmaßnahme hat man die Wachstumsgesetze zu berücksichtigen. Eines davon lautet grob vereinfacht:

•je steiler ein Trieb nach oben gerichtet ist, um so stärker treibt er; je flacher er wächst, um so geringer ist sein Jahrestrieb;

• je flacher ein Trieb wächst, um so größer ist seine Fruchtbarkeits­neigung; je steiler er steht, um so mehr schießt er ins Holz, ohne zu fruchten.

Deshalb muss man stets für ein ausgewogenes Verhältnis von stei­lem Triebholz und flachliegendem Fruchtholz sorgen. Vom 2. bis zum 7. Standjahr werden die Leitäste jeweils um ein Drittel des Jahrestriebs auf ein nach außen gerichtetes Auge zurückgeschnit­ten. Der Mitteltrieb, der die Fortsetzung des Stammes bildet, wird ebenfalls durch Rückschnitt einem natürlichen Kronenaufbau ange­passt.

Im Gegensatz zu den Apfelbäumen ist es bei Birnen meist vorteil­haft, die Leitäste nach der Pflanzung nicht so stark, also nur um etwa ein Viertel der Jahrestrieblänge zurückzuschneiden und erst im nächsten Jahr stärker zurückzunehmen. Dabei kann der Jung­baum im 1. Jahr eine größere Blattmasse bilden, welche einem guten Anwachsen dient. Mehrere Birnensorten neigen dazu, den Mitteltrieb sehr stark nach oben zu treiben. In solchen Fällen hält man diesen in den ersten Jahren betont kürzer, weil sonst die unteren Augen nicht austreiben.

 

Der Überwachungsschnitt

Gegen Ende des 1. Jahrzehnts beschränkt man sich vorwiegend auf das Auslichten und hier vor allem auf das Heraussägen ganzer Äste, die sich mitunter zusätzlich im Laufe der Jahre bilden. Lichtgassen müssen in der Krone freibleiben, damit Krankheiten vorgebeugt wird und Schattenfrüchte die Ausnahme bleiben. Die Kronen sind inzwischen auch so umfangreich, daß ein Schnitt mit der Schere einen sehr hohen Arbeitsaufwand verursachen würde.

 

Abbildung unten: Überwachungsschnitt

Etwa nach dem sechsten Standjahr ist der Grundaufbau der Krone bei Hochstämmen abgeschlossen. Beim Überwachungsschnitt ent­fernt man das mehr als dreijährige, stark nach unten hängende Fruchtholz. Wie aus der Zeichnung ersichtlich, schneidet man die Fruchtäste auf nach oben oder schräg nach außen stehende Reiter zurück. Im oberen Kronenteil beseitigt man alle zu dicht stehenden Triebe. Die Baumkrone muß nach dem Schnitt locker und licht auf­gebaut sein. Die Leitastverlängerungen werden jetzt nicht mehr eingekürzt. Ab diesem Zeitpunkt entstehen auch keine Konkur­renztriebe mehr.

 

Abbildung unten: Auslichten einer gut gepflegten älteren Apfelkrone

Die älteren, mit viel Quirlholz besetzten Fruchtäste werden entfernt. Die auf den waagrechten Fruchtästen sich entwickelnden senk­rechten Neutriebe werden zu neuem Fruchtholz. Alle übrigen in der Krone zu dicht stehenden Äste und Triebe werden ebenfalls sauber auf Astring herausgenommen.

 

Die Behandlung von Schnittwunden

Je größer beim Absägen die Astwunden werden, um so sorgfältiger müssen sie einer Wundbehandlung unterzogen werden. Aus einer unsachgemäß behandelten Wunde wird nicht selten im Laufe der Jahre eine große Faulstelle. Für einen Baum kann diese sogar das Ende bedeuten. Schlimm ist es, wenn beim Absägen eines Astes ein ganzer Rindenlappen herunterschlitzt, weil solche Wunden schlecht verheilen. Es ist außerdem kein Luxus, den Wundrand immer mit einem scharfen Messer nachzuschneiden, weil es dann zu einem schnelleren Wundverschluß kommt. Größere Wunden verstreicht man mit einem Wundverschlußmittel. Dies reduziert die Infektions­gefahr mit Schadorganismen und Sporen von Pilzen (z.B. Obst­baumkrebs).

 

Wann wird geschnitten? Unterschiede bei den Obstarten

Der Obstbauer unterscheidet zwischen Winter- und Sommerschnitt. Der Winterschnitt sollte erst dann erfolgen, wenn die stärksten Fröste vorüber sind. Zu früher Schnitt im Vorwinter kann die Frosthärte der Obstgehölze beeinträchtigen. Dagegen führt ein zu später Schnitteingriff bei bereits erfolgtem Austrieb zu einer Schwächung der Wuchsleistung. Für Äpfel, Birnen und Zwetschgen ist daher die Zeit von Februar bis März besonders günstig. Die Behandlung sollte aber bis zur Blüte beendet sein. Für stark wachsende und schlecht tragende Sorten empfiehlt sich ein mäßiger Auslichtungsschnitt ab Mitte August. Dies wirkt beruhigend auf die Wuchsleistung, erhöht den Ansatz an Blütenknospen und verbessert die Ausfärbung der Früchte. Den Kirschenschnitt erledigt man am besten nach der Ernte. Bei der Walnuß muß man beachten, daß bei einem Früh­jahrsrückschnitt der Baum stark blutet. Den Pflanzschnitt, wenn er überhaupt notwendig sein sollte, erledigt man am besten im August. In dieser Zeit schließt der Baum die Wunde sofort wieder.